Finanzämter versenden derzeit massenhaft Zinsfestsetzungsbescheide
Die Steuerzahler in Bayern erhalten als erste seit Mitte November die Zinsfestsetzungsbescheide, in denen die Steuerzinsen nun verfassungskonform festgesetzt wurden. Hintergrund ist, dass das Bundesverfassungsgericht im Juli 2021 den Zinssatz von 0,5 % monatlich und damit 6 %jährlich für die Verzinsung von Steuernachforderungen und -erstattungen als verfassungswidrig erklärt hat. Da der neue Zinssatz erst festgelegt werden musste und die technische Umsetzung bei den Finanzämtern nicht umgehend möglich war, wurden die Zinsen übergangsweise vorläufig nicht mehr festgesetzt. Jetzt rollt eine Welle von Bescheiden auf die Steuerzahler zu.
Warum werden so viele Zinsfestsetzungsbescheide erlassen?
Mit der Vielzahl an Zinsbescheiden werden die neuen gesetzlich fixierten Zinsen von 0,15 % pro Monat (das macht nur mehr 1,8 % pro Jahr) für die Verzinsungszeiträume ab dem 01.01.2019 rückwirkend festgesetzt. Die anderen Bundesländer werden Schritt für Schritt bis Mai 2023 folgen.
Aber Achtung, der Verzinsungszeitraum deckt sich nicht mit dem Veranlagungszeitraum, dem Kalenderjahr, für das eine Steuer festgesetzt wird. Die Verzinsung tritt sowohl im Erstattungs- als auch im Nachzahlungsfall erst später, genauer gesagt 15 Monate nach Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuer entstanden ist, ein.
Mit welchen Arten von Zinsfestsetzungsbescheiden ist zu rechnen?
Im Bundesland Bayern konnte folgende Vorgehensweise festgestellt werden: Zuerst wurden solche Fälle versandt, in denen keine Festsetzung erfolgte. Danach kamen die Nachzahlungsbescheide und zum Schluss die Erstattungsbescheide. Ob die Vorgehensweise in den anderen Bundesländern dieselbe sein wird, ist noch unklar.
Die Berechnung mit den neuen Zinssätzen ergibt einen konkreten Zinsbetrag. Liegt dieser unter zehn Euro, werden die Zinsen nicht festgesetzt. In diesem Fall ergeht vom Finanzamt ein Bescheid über null Euro. Erst bei Beträgen über zehn Euro kommt es zu einer Nachzahlungsforderung oder Erstattung. Letztere sollte in jedem Fall ein Grund zur Freude sein, auch wenn die Verzinsung ab jetzt niedriger als bisher ausfällt.
Es muss aber nicht tatsächlich zu einer Auszahlung kommen. Denn die Finanzämter können die Zinszahlungen z. B. mit einer offenen Steuerzahlung verrechnen. Wurde auf dem Zinsfestsetzungsbescheid nicht explizit angegeben, womit eine Verrechnung erfolgt, wird in nächster Zeit ein Extra-Schreiben der Finanzkasse zugestellt. Diese Verrechnungs- oder Umbuchungsmitteilung enthält die Informationen über die Verrechnung einzelner Beträge. Der Grund für die Verrechnung der Zinsen muss von den Finanzämtern in jedem Fall mitgeteilt werden.
Wie sollten Steuerzahler im Fall einer Nachzahlung reagieren?
Kommt es zu einer Nachzahlungsaufforderung, sollte der Bescheid dahingehend überprüft werden, ob es sich um eine erstmalige oder geänderte Festsetzung handelt. Bei einer Erstfestsetzung sollte der Betrag innerhalb des angegebenen Zeitraums auf das angegebene Konto des Finanzamtes überwiesen werden. Dabei sind im Verwendungszweck die Steuernummer und das Datum des Zinsfestsetzungsbescheids anzugeben, damit das Finanzamt die Buchung zuordnen kann. Immerhin, durch die Absenkung des Zinssatzes sind wenigsten geringere Zinsen zu entrichten als bisher.
Sollte das Finanzamt im Rahmen einer Änderungsfestsetzung bereits ausgezahlte Erstattungszinsen zurückfordern, kann dagegen ein Einspruch eingelegt werden. Aus Gründen des Vertrauensschutzes dürfen keine festgesetzten und ausgezahlten Erstattungszinsen zurückgefordert werden. Wer in der Vergangenheit die Zinsen zu einem höheren Zinssatz schon kassiert hat, darf nachträglich also nicht schlechter gestellt werden und muss nichts davon zurückzahlen.
(Auszug aus einer Information der Lohnsteuerhilfe Bayern e. V.)